Das beliebteste Gemüse der Deutschen ist, wer hätte das gedacht, die gute alte Tomate. Jeder Deutsche verzehrt im Durschnitt jährlich 23 kg dieser roten Gewächshausfrucht. Entweder frisch oder auch gerne in konservierter Dosenpressform. Landesweit verzehren wir Deutschen 1.900.000 Tonnen Tomaten im Jahr. Um sich diese enorme Zahl zu verbildlichen stelle dir einen Güterzug vor, der bis oben hin voll mit Tomaten beladen ist und von Berlin bis nach Barcelona reicht.
Der Großteil unserer Tomaten stammt aus billigen, hochindustriellen Gewächshauskulturen aus dem europäischen Ausland. 40% der hierzulande verbrauchten Tomaten stammen aus den Niederlanden. Dort ist man nicht erst seit der Cannabiszucht Weltmeister bei Gewächshauskulturen. Die dort produzierten Tomaten enthalten zwar ähnlich viele Pestizide wie die andernorts produzierten, doch in Holland wird mehr auf die umweltverträgliche und nachhaltige Produktion geachtet. Die Schäden an der Natur halten sich hier in Grenzen. Verständlich, wenn man in Betracht zieht, dass die Niederlande aufgrund des steigenden Meeresspiegels immer stärker mit Platzproblemen zu kämpfen haben und sich nicht auch noch die letzte Anbaufläche ruinieren wollen.
Der Teil der in deutschen Salaten landenden Tomaten wird zumeist aus Spanien importiert. Rund 40% der Supermarkttomaten kommen aus Almería, einer kleinen Hafenstadt in der autonomen Provinz Andalusien im Süden Spaniens. Im Winter kommen unsere Tomaten sogar fast ausschließlich aus dieser, in bemerkenswerter Nähe zum Meer gelegenen Hafenstadt. Warum die Nähe zum Meer für diesen Produktionsstandort alles andere als ein Zufall ist, komme ich gleich zu sprechen. Lediglich 8,5% der in Deutschland konsumierten Tomaten stammen aus heimischem Anbau.
Eines der größten in Almería ansässigen Unternehmen, das sich auf die Produktion unserer Tomaten spezialisiert hat, verpackt in einer Saison 30-33 Millionen Tonnen Tomaten für den Export nach Mittel- und Nordeuropa. Das alles spiegelt lediglich die Faktenlage wieder. Kommen wir zum wesentlich interessanteren Teil der „Horror-Tomate“.
Zu Beginn möchte ich dir eine einfache Frage stellen und du magst sie für dich mit rein logischem Denken und gesundem Menschenverstand beantworten. Wo würdest du ein Gemüse produzieren, das extrem viel, und ich meine wirklich extrem viel Süßwasser benötigt? Übrigens, die Produktion einer einzigen Tomate verschlingt sage und schreibe 13 Liter Süßwasser. Für ein ganzes Kilo werden irrsinnige 180 Liter verschwendet. Würdest du also eher zu einer wüstenähnlichen Region oder einem Auengebiet mit Seen und Flüssen tendieren 😆 ? Die Ironie in dieser Frage lässt auf den Wahnwitz der Realität schließen. Der Großteil unserer deutschen Supermarkttomaten wird in der trockensten Region ganz Europas produziert. Der Großteil deswegen, weil Deutschland seine Tomaten im Winter fast ausschließlich aus Spanien bezieht. Das Grundwasser wird abgepumpt, die Brunnen der einfachen Leute sind ausgetrocknet und all das vermag immer noch nicht den wahnsinnigen Durst unserer Horrortomate zu stillen. Es gibt riesige Meerwasser-Entsalzungs-Anlagen, die Unmengen an kostbarer, teuer produzierter Energie verschlingen. Was es gekostet hat diese Energie zu produzieren und wie sich die Umweltbilanz aus der Nutzung von Entsalzungsanlagen darstellt, möchte ich an dieser Stelle nicht erwähnen 😆 Nur so viel: Die aktuelle Technologie reicht nicht aus, um wirklich „effizient“ Süßwasser aus Meerwasser zu gewinnen. Aber zurück zum Produktionsprozess unserer deutschen Horrortomate.
Das Süßwasser fließt durch die Gewächshauskulturen hindurch, wird mit riesigen Mengen an Pestiziden, Giften und anderen Schadstoffen angereichert und, jetzt kommt die Nähe zum Meer ins Spiel, wird einfach auf die vertrockneten Wüstenböden geleitet, von wo es ins Grundwasser und schließlich ungefiltert direkt ins Meer fließt. Das Grundwasser kann so viel zusätzliches Wasser nicht aufnehmen und so entstehen pestizidversäuchte Tümpel/Lagunen mitten am trockensten Punkt in ganz Europa. Die entstehende Fauna rings um solche „Lagunen“ täuscht ein wenig darüber hinweg, dass dieses Wasser weder trink- noch andersartig verwendbar ist.
Jemand, der keine Wahl hat! Jemand, der sich mit der Hoffnung auf ein besseres Leben auf den Weg nach Europa gemacht hat und hier von scharmlosen Großindustriellen ausgebeutet wird bis er stirbt oder geschändet und geschädigt freiwillig wieder nach Hause geht, sofern er sich das leisten kann. Die Rede ist von den Tausenden legalen und illegalen armen Seelen, die hauptsächlich aus Afrika, aber auch aus Osteuropa mit der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Almería (Spanien) gelockt wurden. Das Deutsche Rote Kreuz schätzt die Zahl der illegalen Beschäftigten, die in Almería auf den Gewächshausplantagen arbeiten, wohnen und schlafen müssen, auf mindestens 20.000. Sie müssen tagtäglich Knochenarbeit unter extrem
illegale Arbeitssklaven in den Gewächshauskolonien – Symbolbild
gesundheitsschädlichen Bedingungen im Akkord absolvieren. Sie „verdienen“ dafür einen Hungerlohn von ca. 400,- EUR monatlich, wovon ihnen allerdings ein Großteil sofort wieder für Essen und Unterkunft abgeknöpft wird. Die Lebenserwartung und der Gesundheitszustand der Arbeiter in Almería sind besorgniserregend. Damit die Arbeiter nicht ständig krank und damit nicht einsetzbar sind, werden sie mit billigen Medikamenten zugeschüttet, bis sie kaum noch aus dem Bett kommen.
Schöne neue Welt. Hauptsache ein Kilo Tomaten kostet beim Discounter nur 1,49 EUR, nicht wahr?
Guten Appetit beim Genuss der Horror-Tomate wünscht dir
Timothy Scherman
Quellen: 3Sat, Wikipedia, Google, diverse Reportagen
2014 Copyright by UjustFeelGood UG